Immer wieder ist versucht worden, Kundenfahrzeuge in den Grand-Prix-Sport zurückzubringen. Einer der jüngsten Vorstösse kam von Ferrari: Sie wollten wegen der Coronakrise Kundenrennwagen anbieten.
Anfang April wusste in der Corona-Pandemie niemand, wie es weitergehen soll. Keine Rennen bedeuteten kein frisches Preisgeld. Viele Leser fragten sich bange: Wie viel rennfreie Zeit kann sich ein Formel-1-Team leisten? Später erstellte Formel-1-CEO Chase Carey ein gedrungenes GP-Programm in Europa, und alle kamen überein – die 2020er Rennwagen werden aus Spargründen 2021 nochmals verwendet.
Ungewöhnliche Zeiten zwingen zu ungewöhnlichen Denkansätzen. Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner hatte angeregt: «Wir könnten sagen – für ein oder zwei Jahre erlauben wir den kleineren Teams den Einsatz von Kundenautos. Sie könnten auf diese Weise die Kosten für Forschung und Entwicklung auf einen Schlag loswerden, sie könnten sich darauf konzentrieren, ein reines Renn-Team zu sein und einen Wagen Stand WM-Finale des Vorjahres übernehmen. Es gibt keine effizientere Abkürzung, um zu niedrigen Kosten ein schnelles Auto zu erhalten. Wenn ich Alfa Romeo Racing-Financier Finn Rausing wäre oder Rennstallbesitzer Gene Haas, dann würde ich das Auto eines Top-Teams kaufen.»
Das heutige Reglement verbietet das. Ein Wettbewerber muss den Wagen zum grössten Teil selber konstruieren, nur eine beschränkte Anzahl von Elementen darf aus fremder Produktion stammen. Die heutigen GP-Teams verfolgen unterschiedliche Ansätze: Haas übernimmt sämtliche vom Reglement erlaubte Teile von Ferrari, McLaren baut die meisten Teile selber.
Längst vorbei die Zeiten in den 70er Jahren, als ein wohlhabener Privatier wie Héctor Rebaque noch für die Saison 1979 von Lotus ein Chassis kaufen konnte und das in Eigenregie einsetzte.
Formel 1, da geht es um technische Exzellenz. Wenn jemand das beste Chassis einfach kaufen kann, so geht der darwinistische Wettbewerbsgedanke verloren. Den Status des Klassenbesten gilt es zu erarbeiten. Mit tüchtig Kohle einfach das beste Material kaufen und einsetzen, damit vor Rennställen fahren, die sich seit Jahren abmühen, im Mittelfeld Fortschritte zu machen und der Spitze näher zu rücken, das ist nicht Formel 1.
Aber Christian Horner war nicht der Einzige mit solchen Gedanken. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto sagt: «Als wegen Corona alles stillstand und wir viele Sitzungen darüber gehabt haben, wie es weitergehen soll, da haben auch wir den Vorschlag auf den Tisch gebracht, dass Top-Teams Autos verkaufen können. Letztlich konnten sich die Rennställe nicht zu diesem Schritt durchringen. Es war als Notfallmassnahme gedacht. Denn auch wir sind der Ansicht – jeder Rennstall sollte unabhängig bleiben und sein Auto selber entwicklen.»
Längerfristig erweist sich ein konsequent beschrittener Weg mit Kundenautos als gefährlich. Stellen wir uns vor: Mercedes-Benz, Red Bull Racing und Ferrari dürften Kundenautos verkaufen, nicht nur übergangsmässig in Corona-Zeiten, sondern immer. Dann stolpern wir flugs in eine Sackgasse, in welcher sich der US-amerikanische IndyCar-Sport wiederfand.
Einst gab es in der CART-Serie (Championship Auto Racing Teams) eine üppige Fülle von Chassisherstellern – Chaparral, Penske, Longhorn, Wildcat, Coyote, McLaren, Eagle, March, Lola. Innerhalb weniger Jahre gab es nur noch zwei Marken, March und Lola, später wurde die IndyCar-Serie gar ein besserer Markenpokal mit dem gleichen Monocoque für alle, das heute bei Dallara gebaut wird. Die kleineren Chassisbauer konnten nicht mehr mithalten und starben aus.
Ein Chassis zu kaufen, würde das Know-how der Mittelfeldteams ausdünnen, bald gäbe es ein Startfeld mit nur noch vier oder fünf, vielleicht sechs Chassisherstellern. Und wenn ein oder zwei dieser Hersteller der Formel 1 den Rücken kehren würde, so wären auf einen Schlag mehrere Autos weg. Das kann der Sport nicht riskieren, und ds entspricht nicht dem Geiste der Formel 1.
July 31, 2020 at 03:28AM
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Wegen Corona: Ferrari wollte GP-Renner verkaufen - SPEEDWEEK.COM
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